- serienjunkies
- News
- Reviews
Stand:
Von: Bjarne Bock
Kommentare
Bei Netflix ging Mitte Mai die südkoreanische Eigenproduktion „The 8 Show“ online, die in Konzept und Stil stark an „Squid Game“ erinnert. In der Kapitalismuskritik nehmen verzweifelte Fremde an einem achtstöckigen Psychologie-Experiment teil.
Spoilerwarnung - diese Meldung kann Hinweise auf die Fortführung der Handlung enthalten!
Das Thema der sozialen Hierarchie im Turbokapitalismus wirkt weiter wie ein Wunderdünger für die südkoreanische Film- und Serienlandschaft, deren Blütezeit spätestens seit dem 2020er Oscarerfolg „Parasite“ von Bong Joon-ho (der 2013 schon mit „Snowpiercer“ eine eindrückliche Analogie zu Klassenunterschieden schuf) nicht mehr zu übersehen ist. 2021 kam bei Netflix die Rekordserie Squid Game, die bis heute unangefochten als größter Hit des Streaming-Riesen gilt.
Natürlich versucht man diesen Erfolg zu wiederholen. So ging am 17. Mai nun das neue Format The 8 Show (fka „Money Game“) von Regisseur und Autor Han Jae-rim („Emergency Declaration“) an den Start. In der achtteiligen Auftaktstaffel wird ein Experiment der psychologischen Spieltheorie bunt und gleichzeitig brutal aufbereitet. Acht Kandidat:innen treten an und werden durch völlig unterschiedliche Teilnahmebedingungen auf die Probe gestellt.
Kann die neue Serie aus dem übergroßen Schatten namens „Squid Game“ hervortreten? Versucht sie überhaupt, sich stilistisch vom Vorbild abzugrenzen? Die ersten Episoden von „The 8 Show“ hinterlassen jedenfalls gemischte Gefühle und sorgen vielleicht auch für Verwirrung, was die grundsätzlichen Spielregeln angeht...
Darum geht es bei der Serie „The 8 Show“
Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Pechvogel Jin-su (Ryu Jun-yeol), der sein Leben gern noch mal von vorn beginnen würde. Ohne ordentliche Ausbildung ist er dazu verdammt, als Fensterputzer doppelt so hart zu schuften wie die Männer in Anzügen, die er von draußen in den Büros sitzen sieht. Wie ein Hamster fühlt er sich gefangen in der endlosen Tretmühle, denn er kann nie genug Geld ansparen, um seine Situation nachhaltig zu verbessern. Er ist kurz davor, ganz aufzugeben.
Am Tiefpunkt angekommen, erhält Jin-su die Einladung zu einem Spiel, das zwar gefährlich sein mag, aber auch mit so viel Preisgeld lockt, dass er eigentlich keine andere Wahl hat. Bis hierhin klingt „The 8 Show“ wirklich genau wie eine Kopie von „Squid Game“, wobei man früh schon feststellen muss, dass Lee Jung-jae leider ein sehr viel charismatischerer Protagonist war (nicht ganz umsonst gewann er damals sogar den Emmy als wichtigsten Fernsehpreis Amerikas). Selbst die Kulissen von „The 8 Show“ sehen aus wie eine Leihgabe von „Squid Game“.
Der zentrale Unterschied liegt im Spiel selbst, das bei „The 8 Show“ viel zu kompliziert erklärt wird. Statt visuell sofort greifbaren Survival-Games geht es um ein psychologisches Konstrukt, das sich um Verzicht und Eifersucht dreht. Acht Teilnehmer:innen beziehen - sinnbildlich und buchstäblichen - acht verschiedene Etagen eines Gebäudes, in dem alle fake ist. Die Währung bei dem Spiel ist Zeit, ganz nach dem Motto „Zeit ist Geld“. Ziel ist es, so lange wie möglich im Spiel zu bleiben.
Die mysteriösen Spielleiter haben es so eingerichtet, dass jeder Gegenstand - egal, ob zur Befriedigung eines Grundbedürfnisses oder Luxusartikel - zu einem hohen Preis kommt, der wiederum in Spielzeit umgerechnet werden kann. Man merkt jetzt schon, wie verkopft die Prämisse doch rüberkommt. Der wichtigste Twist liegt am Ende aber darin, dass alle acht Spieler:innen (darunter auch Chun Woo-hee, Park Jeong-min, Lee Yul-eum, Park Hae-joon, Lee Zoo-young, Moon Jeong-hee und Bae Seong-woo) in ihrer jeweiligen Etage eine völlig andere Grundausstattung erhalten haben.
Sofort brechen soziale Konflikte darüber aus, dass die eine Person Essen im Überfluss kriegt, während die andere Hunger leiden muss. Nun ergibt die Vorgabe, wonach alle bitte darauf achten sollen, dass niemand im Lauf des Spiel getötet wird, plötzlich erschreckend viel Sinn. Schließen sich die unteren Etage zusammen, um eine Revolution gegen die da oben zu starten?
Stärken und Schwächen von „The 8 Show“
Der Serienmacher Han Jae-rim ist sowohl für die Inszenierung als auch für das Drehbuch von „The 8 Show“ selbst verantwortlich. Ersteres ist ihm deutlich besser gelungen als zweiteres. Diese Serie kommt, passend zum Spielthema, mit einer verspielten und lockeren Grundstimmung daher. Nicht nur bringt das Voiceover von Hauptdarsteller Ryu Jun-yeol viel Tempo rein, auch die Musik der düsteren Komödie sorgt für reichlich Schwung. Am Ende geht die Einführung vielleicht sogar zu schnell, um die Zuschauer:innen in das unnatürliche Setting richtig reinzuholen.
Außerdem stellt sich grundlegend die Frage, ob das zentrale Rätsel der Serie so vielschichtig beantwortet werden kann, dass es acht Folgen dafür braucht. Wer sich ein bisschen für Psychologie interessiert, kennt sicher harmlosere Experimente wie das Ultimatumspiel, durch das gezeigt wurde, dass viele Menschen lieber auf einen Gewinn verzichten, wenn dafür andere noch höhere Preisgelder für dieselbe und geringere Leistung erhalten. Ein Befund, der zwar durchaus als Funfact beim Smalltalk taugt, aber: Kann man darauf wirklich eine ausformulierte Kapitalismuskritik mit tödlichen Einsätzen aufbauen?
Wir würden „The 8 Show“ daher qualitativ im mittleren Bereich einquartieren: Stockwerk drei von fünf!
Hier abschließend noch der Trailer zur Serie „The 8 Show“: